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DIE BESONDERHEITEN DER GRAMMATISCHEN TEXTANALYSE (AM BEISPIEL DES ROMANS „LEB WOHL, BERLIN“)

Журнал: Научный журнал «Студенческий форум» выпуск №13(236)

Рубрика: Филология

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Lanskaia I. DIE BESONDERHEITEN DER GRAMMATISCHEN TEXTANALYSE (AM BEISPIEL DES ROMANS „LEB WOHL, BERLIN“) // Студенческий форум: электрон. научн. журн. 2023. № 13(236). URL: https://nauchforum.ru/journal/stud/236/125168 (дата обращения: 27.12.2024).
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DIE BESONDERHEITEN DER GRAMMATISCHEN TEXTANALYSE (AM BEISPIEL DES ROMANS „LEB WOHL, BERLIN“)

Lanskaia Iana
Studentin des 5. Studienjahres (Bachelor) Staatliche Linguistische Universität Moskau, Russland, Moskau

 

Der zu analysierende Text ist dem Roman "Leb wohl, Berlin" (erschien im Jahre 1939) entnommen und stammt aus der Feder des berühmten englischen Schriftstellers Christopher Isherwood.

Die Intention des Textes

Dies ist der Auszug aus dem allerersten Kapitel des Romans, in dem sich die Leser erst mit dem Konzept des gesamten Werkes vertraut machen. Die Aufgabe des Autors besteht in diesem Fall darin, die Leser in die Handlung allmählich zu involvieren und ihnen einen Überblick über die zeitgeschichtlichen Hintergründe des Romans zu geben.

Die Handlung spielt sich in Berlin der frühen 1930er Jahre ab, kurz vor der Machtübernahme von Adolf Hitler. Der Roman ist in vielem autobiografisch und gibt atmosphärisch dicht die Lebenssituation unterschiedlicher Personen der zu Ende gehenden Weimarer Republik wieder. Kulturell war die Weimarer Republik geprägt durch den ersten Durchbruch der Massenkultur in Deutschland (Rundfunk, Kino, Unterhaltungsmusik usw.) sowie von avantgardistischen Strömungen in den Künsten, die zum Teil bereits in der Vorkriegszeit angelegt waren.

In dem zu analysierenden Roman hat der Autor den sogenannten Ich-Erzähler-Effekt eingesetzt. Der Ich-Erzähler schildert die Geschichte aus der Ich-Perspektive und gebraucht folglich die Ich-Form. Die Geschichte wird demnach aus der Sicht einer einzigen Figur erzählt, weshalb die Leser nur wahrnehmen können, was diese fühlt und sieht oder im Austausch mit anderen erfährt. Hiermit identifiziert sich der Ich-Erzähler metaphorisch mit einer Kamera, als könnten unsere Augen alles aufnehmen. Der Ich-Erzähler begleitet die Leser im wilden Tanz durch die 30er Jahre, wobei die Leser selbst zu den Augen des Ich-Erzählers werden.

Genau mit diesem Roman erwarb Christopher Isherwood Anerkennung. Die Geschichten, die in diesem Roman aufgesammelt sind, zählte das Magazin Time zu den besten 100 englischsprachigen Romanen, und sie wurden darüber hinaus zur Vorlage des Musicals "Cabaret", das im Jahre 1966 uraufgeführt worden war. Die Konzeption des Buches ist bei mir auf großes Interesse gestoßen, indem die meisten Protagonisten immer intensiver tanzen und feiern, als würde sie dies vom heraufziehenden Nationalsozialismus schützen. Sie leben in einer erlogenen Welt: Das wirkt utopisch und regt die Leser des Öfteren zum Nachdenken auf.  

Die referenzielle Struktur des Textes

In dem zu analysierenden Text treten meist verschiedene Gegenstände und Personen als Träger der Referenz auf und bilden somit die Grundlage für die im Roman dargestellte Realität. Größtenteils werden diese Substantive mit dem bestimmten Artikel gebraucht, der ab und zu durch Possessiv- (die Kinder => ihr Abendessen; junge Männer => ihre Mädchen; die Männer => ihre Signale) sowie Demonstrativpronomen (dieser Pfiff) ersetzt wird. Als deren Begleiter treten hauptsächlich Adjektive (ehrwürdige Straße; das elektrische Leuchtschild) und Attributsätze auf (Ich nehme den Mann auf, der sich gegenüber am Fenster rasiert, und die Frau im Kimono, die sich die Haare wäscht).

Als Hauptreferent dieses Textes betrachte ich jedoch den Ich-Erzähler. Seine Anwesenheit in dem Roman lässt sich vor allem durch Personal- (Ich bin eine Kamera; es erinnert mich daran; mir selbst gilt) und Possessivpronomen  (vor meinem Fenster) bestätigen.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass alle diese Referente die Prägungsmittel für anaphorische Verweisung (Rückverweisung) darstellen. Die Anaphorik richtet sich auf die Vorinformation (auf das Bekannte) im Text und wird in der schöngeistigen Literatur in erster Linie zu den künstlerischen Zwecken benutzt. Der Autor berücksichtigt die Nichtinformierheit der Leser und bringt sie mit einem Ruck in eine unbekannte Welt.

Seltener ist in diesem Text auch die kataphorische Verweisung (Vorausverweisung) zu treffen. Die Kataphorik richtet die Aufmerksamkeit der Leser auf neue Information und wird vom Gebrauch des unbestimmten (dass ich in einer fremden Stadt bin; greife nach einem Buch) und Nullartikels (im Schatten überladener Fassaden; verdreckte Stuckfronten) geprägt.

Gewöhnlich entwickelt sich die Textinformation vom Neuen (Rema) zum Bekannten (Thema). Sprachlich wird das durch den Wechsel von dem unbekannten zu dem bekannten Artikel zum Ausdruck gebracht. In diesem Text ist es allerdings nicht der Fall: Man beobachtet die Verwendung von dem unbestimmten Artikel und vom Nullartikel in jedem einzelnen Absatz. Ein entscheidender Faktor dafür scheint zu sein, dass die Leser im jeweiligen Absatz des Textes etwas Neues erfahren und somit Schritt für Schritt in die Handlung einbezogen werden.

Die temporale Charakteristik des Textes

Jeder Text ist temporalbezogen. Der vorliegende Auszug ist monotemporal und wird von den Zeitformen der besprochenen Welt geprägt. Das Leittempus ist Präsens:

  1. Ich bin eine Kamera mit offenem Verschluss, ganz passiv, ich nehme auf, ich denke nicht.
  2. Manchmal beschließe ich, nicht hinzuhören, greife nach einem Buch, versuche zu lesen.

In manchen Sätzen ist auch die Passivform des Präsens zu treffen:

  1. Über der Nachtglocke des kleinen Hotels an der Ecke, ..., wird das elektrische Leuchtschild eingeschaltet.
  2. ... wo die Betten bereits für die Nacht gerichtet sind.

Nach der Auffassung von Harald Weinrich signalisiert die besprochene Welt, dass den Lesern eine gespannte Rezeptionshaltung naheliegt. Von den Lesern wird oft eine verbale bzw. nonverbale Reaktion erwartet. In der schöngeistigen Literatur vermindert das Präsens die Distanz zwischen dem Autor und den Lesern und zieht sie wiederum stärker in die Handlung hinein.

In folgendem Beleg aus dem Roman verleiht das Präsens dem Text die Vorausperspektive, die eine Bezugnahme auf zukünftige Ereignisse enthält. Darauf weist außerdem das Temporaladverb "eines Tages" hin:

  • Eines Tages muss das alles entwickelt werden, sorgfältig abgezogen, fixiert.

Des Weiteren lässt sich die Temporalität eines Textes durch unterschiedliche Wortarten ausdrücken. In dem zu analysierenden Auszug sind folgende zeitbezogene Adverbien, Substantive und Präpositionen zu finden:

  1. Kellergeschäfte, in denen den ganzen Tag das Licht brennt ...
  2. Um acht Uhr abends werden die Haustüren zugesperrt.
  3. ... wo man die Zimmer stundenweise mieten kann ...
  4.  Bald beginnt das Pfeifen.
  5. Manchmal beschließe ich, nicht hinzuhören ...
  6. ... wo die Betten bereits für die Nacht gerichtet sind ...
  7. ... dass ich schließlich doch aufstehen und einen Blick durch die Lamellen der Jalousie werfen muss ...

Alle diese Beispiele tragen einen allgemeinen Charakter. Das heißt, dass sie keinem bestimmten Mikrofeld (das Mikrofeld der Gegenwart, das Mikrofeld der Vergangenheit, das Mikrofeld der Zukunft) zugeordnet und somit auf allen drei Mikrofeldern des Temporalfeldes gleichhäufig zu finden sind. Die Präpositionalgruppe mit "um" sowie das Temporaladverb "abends" deuten an die Zeit der Handlung hin, wobei die Temporaladverbien "abends" und "manchmal" ebenfalls die Häufigkeit dieser oder jener Handlung hervorheben. Das Temporalsubstantiv "Tag" in Kombination mit dem Adjektiv "ganz" weist in diesem Sinne auf die Dauer der Handlung.

Die lokale Charakteristik des Textes

Des Weiteren sind alle Texte lokalsituiert. In dem zu analysierenden Text ist es allerdings schwierig zu bestimmten, ob dieser mono- oder doch polylokal ist. Der Ich-Erzähler beschreibt eine Straße, wobei er selbst alles aus dem Fenster seines Zimmers beobachtet. Einerseits spielt sich die Handlung an ein und demselben Ort ab, also auf einer Straße in Berlin, andererseits werden vom Ich-Erzähler mehrere kleinere Orte (Kellergeschäfte; kleines Hotel an der Ecke; Läden usw.) innerhalb dieser einen Straße erwähnt. Ausgehend davon lässt sich auch der Raum der vorliegenden Handlung auf unterschiedliche Weise interpretieren: Zum einen geht es um einen offenen Raum (die dunkle, ehrwürdige, gewaltige Straße), zum anderen - um einen verschlossenen Raum (Vor meinem Fenster; einen Blick durch die Lamellen der Jalousie werfen). An dieser Stelle würde ich den Text trotz aller umstrittenen Fakten als polylokal bezeichnen.

In dem zu analysierenden Auszug handelt es von der dynamischen Raumreferenz. Die Aufmerksamkeit der Leser wird rasch von einem Objekt zu einem anderen gelenkt:

  • Um acht Uhr abends werden die Haustüren zugesperrt. Die Kinder bekommen ihr Abendessen. Die Läden schließen.

Neben den Substantiven treten darüber hinaus vielfältige präpositionale Gruppen (im Schatten; gegenüber am Fenster; fern der Heimat), Verben (aufstehen und einen Blick durch die Lamellen der Jalousie werfen), Adverbien (Sie stehen unten in der Kälte; hinauf zu den erleuchteten Fenstern; der Straße hinunter; hier) sowie Lokalsätze (Kellergeschäfte, in denen...; Über der Nachtglocke des kleinen Hotels an der Ecke, wo...; (der warmen) Zimmer, wo...) als Prägungsmittel für die Lokalbezogenheit des Textes auf.

Die modale Charakteristik des Textes

Im Folgenden komme ich zur Kategorie des Modus. Diese grammatische Kategorie drückt das Verhältnis zwischen dem von dem Verb bezeichneten Vorgang und der Realität vom Standpunkt des Sprechenden aus. Traditionell unterscheidet man drei Modi: Indikativ, Konjunktiv und Imperativ. Der zu analysierende Auszug aus dem Roman ist lediglich im Indikativ verfasst und lässt sich daher als monomodal bezeichnen.

Unter anderem ist die Kategorie des Modus sehr eng mit der Kategorie der Modalität verbunden. Als eine der grammatischen Kategorien wird die Modalität weit aufgefasst - darunter versteht man hauptsächlich in sprachlicher Form ausgedrücktes Verhältnis des Sprechers zur Aussage. Der vorliegende Text ist von allen drei Arten der Modalität geprägt: Die objektive Modalität bezeichnet das Verhältnis der Aussage zur Wirklichkeit, indem der Indikativ das Geschehen im Roman als real darstellt:

  • Manchmal beschließe ich, nicht hinzuhören, greife nach einem Buch, versuche zu lesen.

Die subjektive Modalität zeigt das Verhältnis des Ich-Erzählers zum Inhalt dieser oder jener Aussage (oder Handlung) und wird im Text durch folgende Modalwörter ausgedrückt:

  • ... und ich weiß sehr wohl, dass das unmöglich ist ...

Die logisch-grammatische Modalität drückt die Beziehungen zwischen dem Subjekt des Satzes und der im Infinitiv ausgedrückten Handlung aus. Hierfür sind im Text folgende Modalverben in ihrer primären Bedeutung zu finden:

  • Eines Tages muss das alles entwickelt werden, sorgfältig abgezogen, fixiert.
  • Die Männer möchten eingelassen werden.

Olga Iwanowna Moskalskaja unterscheidet in den Texten der schöngeistigen Literatur den modalen Schlüssel des Autors sowie den modalen Schlüssel der literarischen Figuren.

Der modale Schlüssel des Autors lässt sich mit oben angeführten Sätzen belegen und entspricht der Modalität der Realität (der Text ist ganz und gar im Indikativ verfasst). Außerdem ist die Autorensprache teilweise subjektiv gefärbt: Der Autor (der Ich-Erzähler) nimmt verschiedene Haltungen ein, die durch die Mittel (Modalwörter) der subjektiven Modalität ausgedrückt werden.

Der modale Schlüssel der literarischen Figuren, der meist in Dialogen und Monologen der Protagonisten vorkommt und durch zwei andere Modi (Imperativ und Konjunktiv) ausgedrückt wird, ist in dem zu analysierenden Auszug nicht zu treffen.

Die personale Charakteristik des Textes

Die personale Charakteristik des zu analysierenden Textes beruht auf der Kategorie der Person. Da dieser Text in Form eines Tagesbuches verfasst ist, ist der auf die 1. Person bezogen und daher monopersonal. Der Ich-Erzähler fungiert als Hauptfigur und existiert in derselben Welt wie die anderen Gestalten des Romans.

Auf die Ich-Form des Textes weisen in erster Linie das Personalpronomen "ich" (ich bin eine Kamera), das auch ab und zu im Akkusativ (es erinnert mich daran) und im Dativ (mir selbst gilt) zu finden ist, sowie das Possessivpronomen "mein", das im allerersten Satz des vorliegenden Auszugs im Dativ (vor meinem Fenster) steht. Diese Hinweisungen dienen außerdem zur Strategie der direkten Identifikation, in der der Autor des jeweiligen Romans sich selbst präsentiert.

Ludmila Alexandrowna Nozdrina unterscheidet drei Merkmale, die für die Ich-Erzählung gekennzeichnet sind:

  1. Glaubwürdigkeit - Der Autor bzw. der Ich-Erzähler berichtet nur darüber, was er mit eigenen Augen gesehen und selbst erlebt hat.
  2. Subjektivität - Die in dem Roman beschreibenden Ereignisse können vom Ich-Erzähler subjektiv eingeschätzt werden (in seinen Monologen kann er etwas bezweifeln oder hingegen mit Sicherheit behaupten)
  3. Unvollständigkeit - Die in dem Roman dargestellte Welt ist durch die Wahrnehmung des Ich-Erzählers begrenzt.

Manche Personen, die im Text nebenbei auftauchen, werden ebenfalls durch Personal- (junge Männer => sie stehen) und Possessivpronomen (junge Männer => ihre Mädchen) ersetzt.

Die anderen Ausdrucksmittel wie Eigennamen und Berufsbezeichnungen (explizite Hinweisung) oder Frage- und Vergleichsätze (implizite Hinweisung) tauchen in dem zu analysierenden Auszug nicht auf.

Der pragmatische Aspekt des Textes

Schlussendlich möchte ich meinen Eindruck von diesem Auszug äußern. Der Schreibstil des Autors hat mich von der ersten Zeile an fasziniert: Dank der Form der Ich-Erzählung habe ich mich als wesentlicher Bestandteil der Handlung gefühlt, als wäre ich selbst fast 100 Jahre zurück gegangen und hätte nun eine dunkle, gewaltige Straße voller Unsicherheit und Geheimnisse aus meinem Fenster beobachtet.

Der Autor hat in die Geschichte Deutschlands einen neuen Schwung gebracht, denn die Geschichte an sich ist ein kompliziertes und relativ langweiliges Fach, und sie aus seiner eigenen Perspektive erzählt. Das Sujet sowie die ganze Stimmung der im Text auftauchenden Figuren - von Bohème bis zu ausgelassenen Auswanderern - lässt sich von meinem Standpunkt aus mit der Moskauer Gesellschaft in den Zeiten der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) vergleichen, wobei die meisten vergebens ihre gewohnte Lebensweise zu bewahren versuchten und eventuell so taten, als hätten sie die äußerlichen Änderungen gar nicht bemerkt.

Die detaillierte Beschreibung des nächtlichen Lebens Berlins macht der Text dynamisch und lebendig, deswegen kann ich nur feststellen, dass der Autor des Romans seine Idee bzw. seine Absicht in vollen Zügen umgesetzt hat.

 

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