Die Sprache des Romans „Hotel Hölle, guten Tag...“. Eine linguostilistische Analyse
Журнал: Научный журнал «Студенческий форум» выпуск №25(161)
Рубрика: Филология
Научный журнал «Студенческий форум» выпуск №25(161)
Die Sprache des Romans „Hotel Hölle, guten Tag...“. Eine linguostilistische Analyse
Stammtischler, Rheinkonferenz und unendlicher Liebeskummer – was haben alle diese Sachen miteinander zu tun?
Die Autorin des Romans Eva Demski war nicht immer als Schriftstellerin tätig. Nach der erfolgreichen Abschluss der Mainzer sowie Freiburger Universitäten arbeitete die gebürtige Regensburgerin als Dramaturgieassistentin in Frankfurt-am-Main. Ihr allererstes Buch – der Roman „Goldkind“ - wurde im Jahre 1979 veröffentlicht. Und fast 10 Jahre später – im Jahre 1987 – erschien der Roman „Hotel Hölle, guten Tag...“.
Dieser Roman ist in Briefform dargestellt und umfaßt eine Reihe von Themen – vom historischen Hintergrund des damaligen Deutschlands bis zu den menschlichen Beziehungen und Lastern. Keinen von Protagonisten kann man als positiv bzw. negativ bezeichnen. Jeder wird von seinem eigenen Schatten verfolgt. Auch wie die anderen deutschen Schriftsteller (z.B. Bernard Schlink in seinem Roman „der Vorleser“, 1995) beschäftigt sich Eva Demski mit den Fragen nach Schuld und Einsicht.
Die Hauptprotagonistin sowie die Ich-Erzählerin Frau Fuhrknecht schreibt einen langen Brief an ihren Geliebten, der sie vor 10 Jahren verlassen hat. Nach dem Studienabbruch kümmerte sie sich um ihren neugeborenen Sohn Robert. Ein bisschen später haben die beiden ein Vermögen von Reichert, Besitzer des Hauses, in dem sie wohnten, geerbt.
Frau Fuhrknecht erwieß sich als eine gute Geschäftsfrau und gründete dort ein Hotel, das auf einen teuflischen Namen „Hölle“ getauft wurde. Außer seltsamen und eingebildeten Gästen haben auch ihr Vater, die judisch-brasilianische Barfrau Pasodoble, Portier Milan, Zimmermädchen Jana und Koch Orlando eine Zuflucht da gefunden.
Die Sprache des Romans ist sehr vielfältig: Sie reicht vom ganz gehobenen Stil sowie veralteten grammatischen Konstruktionen bis zum süddeutschen Dialekt. Ebenfalls gibt die Autorin virtuos das sogenannte gebrochene Deutsch von Milan, einem der handelnden Personen des Romans, wieder, sodass wir uns diesen alten mürrischen Portier ganz genau vorstellen können.
Zum Beispiel: „Die Wirde, Frau Chefin, also seins mir nicht beese, aber so wie Sie schaun, ham Sie noch nach zehn Jahr die Wirde nicht wiedergefunden.“ [1, S. 45]
Erklärung: „Die Würde, Frau Chefin, also seien Sie mir nicht böse, aber so wie Sie schauen, haben Sie noch nach zehn Jahren die Würde nicht wiedergefunden.“
Während des Lesens fällt es einem auf einmal auf, dass Frau Fuhrknecht sich – so wie Eva Demski - in Philologie sehr gut auskennt. Sie erwähnt viele berühmte literarische Werke, die in ihrem Brief oftmals als verschiedene Stilmittel verwendet werden. Hier sind einige von ihnen:
Metonymie: „Alle diese Täter, die Chemiefritzen und Waffenverkäufer, die medizinischen Mäusemörder und die Atomprotze, die haben doch Frauen und Freundinnen. Warum kommt aus der Ecke nichts? Es wäre doch phantastisch, wenn die sich träfen und dann beschlößen, so, entweder machst Du was anderes oder eben Lysistrata!“ [1, S. 61]
Lysistara (411) gehört zu einer der bekanntesten Komödien des griechischen Dichters Aristophanes. Das Leitmotiv basiert sich auf zwei Themen – Krieg und Frieden. Die Frauen von Ellada sind von ewigen Kriegen sehr erschöpft und sehnen sich nach ihren kämpfenden Männern. Einst kommen sie alle – an der Spitze mit Hauptprotagonistin Lysistrata – zusammen und versuchen, den Konflikt durch einen Liebesentzug zu lösen, bis der Frieden endlich geschlossen wird.
Im Hotel stiegen ganz verschiedene Gäste ab – von Richtern bis Dichterfossile. Die meisten von ihnen waren die ehemaligen Täter und Frau Fuhrknecht hatte das Gefühl als könnte die Hölle eine Art Genesung von ihrer Vergangenheit sein. Sie wollte sie möglichst unter Kontrolle haben und anders machen. Hier erfüllt Metonymie die Funktion der Kompression (ermöglicht eine Verdichtung der Informationen), denn jemand, dem dieses Werk schon bekannt ist, versteht sofort, worauf es in diesem Abschnitt angespielt wird.
Metapher: „Ich kann nichts dafür, dass ich Ihnen Pasodoble immer noch vorenthalte, aber Sie sollen doch den ganzen Teppich sehen, auf dem ich stehe, und da wird es so ein Tristram-Shandy-Brief, immer wieder einer neuen Geschichte, einem neuen Teppichmuster nachspinnend. [1, S. 66]
Leben und Ansichten von Tristam Shandy, Gentleman (1759-1767) ist ein unfertiger Roman von dem englischen Schriftsteller Laurence Sterne. Im Mittelpunkt steht die Geschichte über das Leben von Tristam Shandy, die immer wieder durch verschiedene Kleinigkeiten bzw. Erzählungen unterbrochen wird. Dieses Merkmal macht es einem richtig schwer, dem Inhalt des Romans zu folgen.
Hier erfolgt ein versteckter Vegleich der Struktur des Romans mit dem Brief von Frau Fuhrknecht, in dem mehrere Geschichten und Ereignisse – Gegenwart und Vergangenheit - widerspiegelt und merkwürdigerweise miteinander vermischt sind.
Vergleich und Allusion: „Von den eher grauen Gästen erzähle ich Ihnen also nichts. .. Sie stören das Haus nicht, sie machen es aber nicht reicher. .. Es ist ganz gleichgültig, welche Position diese Grauen haben, es gibt sie mittlerweile überall. Sie sind wie Schlemihle, sie werfen keine Schatten. Wem sie ihn wohl verkauft haben? Statt eines Schattens werfen sie ein Firmenemblem.“ [1, S. 130]
Peter Schlemihl ist der Hauptprotagonist des Märchens von Adelbert von Chamisso – „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ (1813). Peter kann der Versuchung nicht widerstehen und tauscht mit dem Teufel seinen Schatten gegen einen Säckel voller Gold, der nie versiegt. Glück und Frieden findet er aber nicht, denn die Menschen haben Angst vor denjenigen, die überhaupt keinen Schatten werfen.
Mit den Jahren ist der Name von Schlemihl zu einem Gattungsnamen geworden. Mit diesem Wort werden oft die Leute bezeichnet, die nichts in ihrem Leben erreicht haben. Im Buch sind unter den Schlemihlen diejenigen Gäste gemeint, die bei Frau Fuhrknecht kein Interesse erregen. Sie sind unauffällig und still. Sie kommen und gehen, machen keine Mühe und haben keine Rolle, aus der sie fallen könnten. [1, S. 131] Verstehen nichts von Musik und Natur. Kein Geheimnis, keine Rache und keine Täterschaft - also passen in die Hölle nicht.
Nach all dem Gesagten kann man schließen, dass Eva Demski ihr eigenes Genre in Literatur geschaffen hat. Die Sprache ihres Gesamtwerkes scheint ein Paradies für Sprachwissenschaftler zu sein. Jedes neue Buch unterscheidet sich vom vorherigen durch Stil und Sparte. Auch in diesem Roman ist es ihr gelungen, vollkommen unterschiedliche Charaktere unter einem Dach zu sammeln. Unter dem Dach des Hotels „Hölle“.